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Chronik
| (Rhein-Neckar Zeitung, 17.03.25)
Ganz und gar keine gestohlene Zeit: „Momo und die grauen Herren"
Theaterverein Goukelkappe hat Michael Endes Klassiker an drei Abenden aufgeführt - Eindrucksvoller Inszenierung - Die ganze Halle wurde zur Bühne
„Wie viel Zeit bleibt Dir noch?" - mit dieser Frage, begleitet von tickenden Uhren, Glockenschlägen und dem unaufhörlichen Tacken von Metronomen, stellte die eindrucksvolle Inszenierung von „Momo" des Theatervereins Goukelkappe ihr Publikum vor eine drängende Frage. Anlässlich seines 40-jährigen Bestehens brachte der Verein in diesem Jahr rund 40 Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne der TV-Halle. Die boten dort an drei Tagen von Freitag bis Sonntag eine außergewöhnliche Theatererfahrung.
Michael Endes Klassiker „Momo", in der Bühnenversion bearbeitet von Vita Huber, erzählt die Geschichte eines besonderen Mädchens, das den Menschen ihre gestohlene Zeit zurückbringt. In einer Welt, in der die Grauen Herren die Zeit der Menschen sparen und ihnen die Lebensfreude rauben, stellt sich Momo mit der Kraft des Zuhörens entgegen. Im Mittelpunkt der Inszenierung stand Momo, gespielt von Annika Hilsenstein, die mit ihrer einfühlsamen Darstellung der Titelheldin überzeugte. Mit leiser Intensität und ausdrucksstarkem Spiel verkörperte sie das vertrauensvolle, zugleich kluge und beharrliche Mädchen, das den Grauen Herren mutig entgegentritt.
 | Momo tanzt mit den Stundenblumen... | Erstmals übernahm Jona Fragner die Regie - ein Nachwuchstalent aus der Theater-AG des Gymnasiums Bammental. Gemeinsam mit Steffi Bittner (Co-Regie), die die Theater-AG mit David Biere leitet, entwickelte er eine Inszenierung voller Ideen, die nicht nur das Ensemble, sondern auch das Publikum herausforderte. Das Spielgeschehen beschränkte sich nicht auf die Bühne: Zusätzliche Schauplätze wie Fusis Salon, das Restaurant Da Nino e Liliana, der Müllberg oder die Polizeistation verteilten sich über die gesamte Halle. Damit die Zuschauer dem Geschehen folgen konnten, saßen sie auf Drehstühlen - eine ebenso originelle wie effektive Lösung.
 | ... und demonstriert mit weiteren Kindern gegen die Grauen Herren und die Zeitsparerei. | Immer wieder wurden die Besucher ins Stück eingebunden: Sie erhielten essbare „Grußbotschaften" der Grauen Herren oder wurden von den Schauspielern angesprochen. Ein magischer Moment war der Gang ins Obergeschoss, wo das Publikum durch einen verzauberten Korridor aus Plastikplanen und silbernen Luftschlangen an murmelspielenden Kindern und Seifenblasen pustenden Statisten aller Altersgruppen - vom Enkel bis zur Großmutter - vorbeigeführt wurde. Dort, im Reich der geheimnisvollen Secunda Minutia Hora (Eva Saalfrank), erlebten die Zuschauer einen Tanz zwischen Momo und den Stundenblumen.
Doris Prinzl-Wimmer als weise Schildkröte Kassiopeia, Michael Mende als aufbrausender Grauer Herr, Bernd Segnitz als Beppo Straßenkehrer und Nina Fragner als Gigi fügten sich in die Ensembleleistung ein. Auch Steffi Bittner als Liliana, Raphael Murswieck als Nino, Bastian Ziesak als Fusi, Thomas Pachunke als Grauer Richter und die vielen weiteren Darsteller, unterstützt vom Team für Bühnenbild, Technik, Maske und Kostüme, trugen zum Gelingen der komplexen, über zweistündigen Aufführung bei.
 | Die Darsteller der Goukelkappe bespielen die ganze TV-Halle. Bibi-Girl und Momo werden von einem Grauen Herren kritisch beäugt. (Fotos: Haaseman-Dunka) | Das Ensemble ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, als bei der Premiere ein Kabel versagte und eine Szene aus dem Obergeschoss nicht auf die Leinwand in der TV-Halle übertragen werden konnte. Die Regieanweisung folgte prompt und bewies Spontaneität: Kurzerhand wurde die Szene zwischen Hora und Momo vor dem geschlossenen Vorhang gespielt. Das Finale, in dem Momo die Grauen Herren überlistet, konnte dann doch als Kurzfilm mit Spezialeffekten auf der Leinwand gezeigt werden: Die Zeitsparkassen-Agenten lösten sich spektakulär in Luft auf.
Am Ende war es ein gelungenes Theatererlebnis, das mit frenetischem Applaus belohnt wurde. Mit dieser Inszenierung hat der Theaterverein Goukelkappe nicht nur sein 40-jähriges Bestehen gefeiert, sondern auch bewiesen, dass er mit viel Spielfreude und Innovationskraft in die Zukunft blickt.
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