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 Chronik

 Jeder kann es gewesen sein » zurück zur Gesamt-Liste 
Autor: Alan Ayckbourn
Regie: Bernd Segnitz
Aufführungsort: Bammental, TV-Halle
Zeitraum: 2004-03-26 bis 2004-03-28

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 Kritik 
(Gemeinde-Nachrichten, 2. April 2004)

„Jeder kann es gewesen sein", Kriminalkomödie in Bammental
Der Theaterverein „Goukelkappe" spielte an 3 Abenden A. Ayckbourns Kriminalkomödie in Bammental.
Als der Vorhang aufgeht, sind die ZuschauerInnen sofort beeindruckt von einem gelungenen, realistischen Bühnenbild (Jim Miller, Bernd Segnitz), das uns in die Eingangshalle eines englischen Herrschaftshauses versetzt. Wir spüren gleichzeitig die kaum unterdrückte Spannung und Tragikomik, die in dieser seltsamen englischen Familie herrscht.
Der Familientyrann Mortimer Chalke (Kai Leibert), ein egozentrischer und völlig unbegabter Komponist und Alleinerbe des elterlichen Familiensitzes, trägt seine neueste Komposition am Klavier vor. Mit kaum verhohlenem Widerwillen oder mühsam vorgetäuschtem Interesse lassen die übrigen Familienmitglieder den zweifelhaften Kunstgenuss über sich ergehen. Da sitzen Mortimers Schwester Jocelyn (Hannelore Mathes) brav, bieder, eine erfolglose Krimiautorin, und ihre zickige, pubertierende Tochter Amy (Melanie Heinrich) aus erster Ehe, deren angewiderte Miene Bände spricht. Daneben windet sich Bruder Brinton, (Tim Leibert) im farbverschmierten Malerkittel, ein ebenfalls erfolgloser Kunstmaler, und denkt mit Sorge an sein Atelier, das bei diesem englischen Hundswetter vermutlich bald unter Wasser stehen wird. Geld, um das kaputte Dach zu reparieren, bekommte er von seinem knauserigen Bruder natürlich nicht. In dieses „Familienidyll" regnet nun auch noch Norris, Jocelyn's Lebenspartner (Jim Miller) von draußen herein. Laut, unbekümmert, mit Regenmantel und seinen nassen Socken beschäftigt, ignoriert er völlig die Kunstdarbietung seines Fast-Schwagers und löst somit die Katastrophe aus.
Hinter der Fassade der scheinbar wohlanständigen, Tee trinkenden Familie lauern Hass, Lebenslügen, Misstrauen, Verletzungen, die sich in täglichen Ritualen von gegenseitigen Demütigungen äußern. Die mühsam unterdrückten und von Jocelyn`s Beschwichtigungsversuchen immer wieder vertuschten Feindseligkeiten vor allem zwischen Mortimer und Norris brechen nun offen aus.
Mortimer, von dem alle abhängig sind, kennt seine Macht und missbraucht sie mit sadistischem Vergnügen. Kai Leibert scheint diese Rolle sichtlich Spaß zu machen und wir Zuschauer nehmen sie ihm sofort ab. Er verkündet „seiner Familie" schließlich, dass er den Familienbesitz einer gewissen Wendy Windwood (Ilana Miller) vererben wird, die vor 15 Jahren einmal seine Klavierschülerin (seine einzige!!) gewesen war. Im Falle seins Todes, werden also alle mit leeren Händen und ohne Dach über dem Kopf dastehen.
Dieser Clou ändert mit einem Schlag das Leben aller. Jeder würde den ekelhaften Psychopaten Mortimer am liebsten umbringen, jetzt aber müssen sie wohl oder übel daran interessiert sein, dass er möglichst lange lebt, da sie sonst mittellos auf der Straße stehen.
Deshalb machen sie auch gute Miene zum bösen Spiel, als die designierte Erbin Wendy, im adretten Kostüm, freundlich, naiv und dankbar auftaucht, um sich ihren künftigen Besitz anzuschauen, ohne zu ahnen, was sich hinter der Fassade dieser netten Familie wirklich abspielt. Kaum ist sie da, geschehen ihr merkwürdige Unfälle und jedes Familienmitglied tut das seine um die ahnungslose Wendy zu verunsichern. Norris, seines Zeichens erfolgloser Privatdetektiv, wittert einen Mordkomplott, denn nichts liegt näher, als dass die unerwünschte Erbin beseitigt wird. Ilana Miller spielt diese recht anspruchsvolle Rolle einfühlsam und mit großer Glaubwürdigkeit. Norris bietet ihr, dem potentiellen Mordopfer, seinen Schutz an, während allerlei seltsame Geräusche und Vorgänge die arme Wendy in immer größere Panik treiben. Komischerweise muss sie dazu auch noch ein albernes Kinderliedchen auf dem Klavier spielen, während Norris, der selbst die Hosen vor Angst voll hat, den gespenstischen Geräuschen auf den Grund gehen und den im Verborgenen lauernden Mörder zur Strecke bringen will. Aber hätte nicht auch er, Norris, ein Interesse, die Erbin ins Jenseits zu befördern?
Dann geschieht endlich der Mord. – aber Opfer ist nicht Wendy, sondern Mortimer, dem keiner eine Träne nachweint. Während die Polizei einen Raubmörder vermutet, sucht Norris den Mörder im Kreis der Familie. Der Zuschauer beginnt nun zu rätseln, zu kombinieren, Indizien zu sammeln.
Schauen wir uns die Verdächtigen noch mal genauer an:
Da ist Jocelyn, betuliche, treu sorgende Schwester und hilflose, in ihren Erziehung gescheiterte Mutter. Mit großem Engagement gibt Hannelore Mathes dieser Figur ihre eigene Note. Sie ist stets bemüht, die Scheinharmonie aufrecht zu erhalten. Sie muss ständig eine Rolle spielen, wagt es aber selten wirklich sich selbst zu sein. Von ihrer Tochter Amy bekommt sie dafür die Quittung. Melanie Heinrich spielt die Rolle des respektlosen, zickigen, verwöhnten Teenagers sehr autentisch. Mit trotzig verzogenem Flunsch sagt sie, was sie denkt und spielt das Friede-Freude-Eierkuchen-Spiel ihrer Mutter nicht mit. Aber sie hat ein Geheimnis. Was macht Amy freitagabends, wenn sie angeblich in ihrer Theatergruppe ist?
Ihr Onkel Brinton ist das schwarze Schaf der Familie. Ein Versager, unselbständig, voller Selbstmitleid und - wie er selbst von sich sagt - an allem Schuld. Tim Leibert, der vielen noch aus seiner Rolle als Ruprecht in Kleists „Zerbrochenem Krug" in guter Erinnerung ist, spielt diesen untalentierten, unbeholfenen Kunstmaler auf sympathische und überzeugende Weise. Von Wendy war schon die Rede, sie steht natürlich auf Norris' Liste der Verdächtigen an erster Stelle.
Wenden wir uns zum Schluss Norris selbst zu, der im Haus seines Fast-Schwagers nur geduldet, von diesem ständig provoziert und beschimpft wird und in seiner Gutmütigkeit immer wieder zum Nachgeben bereit ist. Er ist der einzige, der über die Sinnlosigkeit seines Lebens nachdenkt und die pathologische Struktur dieser Familie von außen betrachtet, obwohl er selbst darin verstrickt ist. Jim Miller beweist in seiner ersten Rolle großes schauspielerisches Talent. Er ist zwar kein verkrachter Künstler, aber auch er fürchtet, ein Versager zu sein und er will einmal im Leben einen großen Fall aufdecken, Sherlock Holmes spielen. Und als ihm endlich die Leiche frei Haus geliefert wird, da blüht er auf. Ohne Rücksicht auf Verluste, sprich Familienbande, will er den Mörder, die Mörderin finden. Jim Miller ist in seinem Element, auch wenn er manchmal etwas über's Ziel hinausschießt. Dass er dabei zunächst die falsche Mörderin entlarvt, dann mit ungebrochenem Eifer den Fall weiterverfolgt, auch als die wahre Mörderin schon längst dem Publikum bekannt ist, das macht ihn zur tragikomischen Figur. Denn er weiß eben nichts davon, dass inzwischen ganz beiläufig und unbemerkt Amy von Wendy entlarvt wurde, die am Ende sogar Größe und Souveränität beweist, als sie die wahre Mörderin nicht ans Messer liefert sondern ihr eine Chance bietet, bevor sie wieder aus dem Leben der Chalkes verschwindet.
Die Auflösung des Falles ist an jedem der 3 Aufführungstage eine andere, denn „jeder kann es gewesen sein" und Bernd Segnitz, der Regisseur, hat dieses Stück bewusst wegen dieser für Zuschauer und Schauspieler gleichermaßen reizvollen Konzeption ausgewählt.
Am Sonntagabend war es Amy, wer war es wohl an den beiden anderen Aufführungen? Fest steht, jeder hat ein Motiv: Rache, Hass, Demütigung, gekränkte Eitelkeit, Geldgier, alles kann einen harmlosen, anständigen Bürger zum Mord treiben.
Manchmal hätte man dem Stück etwas mehr Tempo und Dynamik gewünscht. Auch bleiben die Figuren recht oberflächlich, gewinnen wenig Tiefe. Sie bleiben Typen, sind keine Individuen, die eine Entwicklung durchlaufen. Aber dies liegt wohl im Wesen solcher englischen Kriminalkomödien. Sie sollen Spannung und Unterhaltung bieten und das Publikum quittierte die Inszenierung von Bernd Segnitz mit Bravorufen und herzlichem Applaus.
(Christa Kleinbub-Dunkl)